Linksbündnis gewinnt französische Parlamentswahlen – schwierige Regierungsbildung

Mit Spannung wurden in ganz Frankreich, hier in einem Pariser Café, die ersten Ergebnisse der Parlamentswahlen verfolgt. ©Christophe Ena/Copyright 2024. The AP

Eine Koalition der französischen Linken hat in der zweiten Runde der Parlamentswahlen die meisten Sitze errungen. Das erst vor drei Wochen gegründete Bündnis konnte die Rechtsextremen zurückdrängen, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Dem endgültigen Wahlergebnis zufolge kommt Le Nouveau Front populaire (auf Deutsch: Die neue Volksfront) auf 182 Sitze in der Nationalversammlung. Die absolute Mehrheit von 289 in der 577 Sitze umfassenden Nationalversammlung verfehlt das Linksbündnis damit deutlich.

Das zentristisches Lager "Ensemble" von Präsident Emmanuel Macron kommt mit 168 Sitzen auf den zweiten Platz, während der rechtsextreme Rassemblement National (RN), der nach seinem Sieg in der ersten Runde als Favorit galt, 143 Sitze erhielt.

Linksbündnis verlangt Auftrag zur Regierungsbildung

Jean-Luc Mélenchon, Gründer von La France Insoumise, der größten Partei des siegreichen Linksbündnisses, sagte, das Ergebnis sei eine klare Absage an den unpopulären Emmanuel Macron. Der Präsident solle Le Nouveau Front populaire den Regierungsauftrag erteilen.

Jean-Luc Mélenchon, Gründer von "La France Insoumise", erhebt Anspruch auf die RegierungsbildungThomas Padilla/Copyright 2024 The AP. All rights reserved.

"Der Präsident muss sich beugen und diese Niederlage akzeptieren, ohne zu versuchen, sie in irgendeiner Weise zu umgehen. Der Premierminister muss zurücktreten. Er hatte nie das Vertrauen der Nationalversammlung. Er hat gerade den Wahlkampf hinter sich, sein Lager hat verloren und er hat ein massives Misstrauensvotum erhalten", sagte Mélenchon.

Premierminister bietet Rücktritt an

Dieser Aufforderung entsprach Premierminister Gabriel Attal. Er erklärte am Sonntagabend, er werde Macron am Montagmorgen seinen Rücktritt anbieten, aber so lange im Amt bleiben wie nötig. "Heute Abend beginnt eine neue Ära", so Attal wörtlich.

Nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse kurz nach Schließung der Wahllokale kritisierte der RN-Vorsitzende Jordan Bardella die "Allianz der Schande" und sagte, dass sie Frankreich in die extreme Linke treibe.

Jordan Bardella, Vorsitzender des rechten Rassemblement National, sieht seine Bewegung um den Sieg gebracht.Louise Delmotte/Copyright 2024 The AP. All rights reserved.

"Millionen von Franzosen die Möglichkeit zu verwehren, dass ihre Ideen umgesetzt werden, wird für Frankreich niemals eine tragfähige Lösung sein. Indem Emmanuel Macron heute Abend für die Lähmung unserer Institutionen gesorgt hat, hat er das Land in Richtung Unsicherheit und Instabilität getrieben", sagte Bardella vor Anhängern in Paris.

Le Pen: "Frankreich ist in Sackgasse geraten"

Die ehemalige Vorsitzende des Rassemlement National, Marine Le Pen, die für die Präsidentschaftswahlen 2027 kandidieren will, sagte, das Ergebnis bedeute, dass Frankreich "in eine Sackgasse" geraten sei. "Es ist bedauerlich, wir werden ein weiteres Jahr verlieren, ein weiteres Jahr der illegalen Einwanderung, ein weiteres Jahr des Kaufkraftverlustes, ein weiteres Jahr, in dem die Unsicherheit in unserem Land explodiert. Aber wenn es das ist, was nötig ist, dann ist es das, was nötig ist", sagte Le Pen.

Wie geht es jetzt weiter?

Eine regierungsfähige Mehrheit ist in Frankreich nicht in Sicht. Hinzukommt, dass es den Linken an einer gemeinsamen Führung mangelt. Ein Parlament ohne eine dominierende Partei, das ist ein Novum für das Land.

Zwar könnte der geschwächte Macron einen Deal mit der gemäßigten Linken anstreben, um eine gemeinsame Regierung zu bilden, aber diese Art von Arrangement hat in Frankreich keine Tradition. Eine Einigung könnte die Form eines losen, informellen Bündnisses annehmen. Es wäre allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit instabil.

Wenn beide Seiten sich nicht einigen, könnte Macron eine parteiunabhängige Expertenregierung ernennen, die sich um das Tagesgeschäft in einem der größten Länder Europas kümmert. Aber das würde die Zustimmung des Parlaments erfordern. Die erste Sitzung mit den neuen Abgeordneten der Nationalversammlung findet am 18. Juli statt.

In der Zwischenzeit hat sich noch kein Kandidat für den Posten des Premierministers herauskristallisiert. Macrons Büro teilte mit, er werde abwarten, bis die neue Nationalversammlung Gestalt annimmt, bevor er "die notwendigen Entscheidungen" trifft.

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